Der Stromer im Verbrenner Gewand
Der XC40 Recharge beeindruckt mit einer maximalen Ladeleistung von 150 Kilowattstunden. Im Wettbewerbsvergleich ist das ein vorzüglicher Wert. Und dieser Wert ist ein wichtiger für die Nutzer. Denn mit ihm entscheidet sich, wie lange man (unterwegs) warten muss, bis die Kiste wieder voll ist. Vorausgesetzt, die entsprechend leistungsfähigen Ladestationen stehen zur Verfügung. Wir wollten es genau wissen und sind mit dem ausschließlich an der Front angetriebenen XC40 Recharge Single über mehrerer Tage hinweg im Südwesten Deutschlands unterwegs gewesen.
Die Tour sollte geplant werden
Mit dem im Volvo Navi integrierten Planungstool kann man die auf einer ausgewählten Strecke schon beim Start sehen, wo das System Tankstopps vorschlägt. Das ist eine richtig gute Sache, denn sie gibt relative Sicherheit. Vorausgesetzt, die anvisierte Anlage funktioniert und auch das Bezahl-System wird akzeptiert. Das ist leider nicht zuverlässig der Fall. Im Gegenteil. Wir haben eine Ladekarte von NewMotion benutzt. Leider kann man nicht immer erkennen, ob das Problem an der Ladekarte liegt oder an der Säule. Im besten Fall hält man, nachdem man das Kabel verbunden hat, die Ladekarte kurz vor die Kontaktfläche der Säule und der Ladevorgang beginnt sofort. Die Preise für den schnellen Strom sind indes stark unterschiedlich, sie bewegen sich zwischen 60 und 70 Cent. Also deutlich mehr als Zuhause, wo man derzeit üblicherweise um die 30 bis 35 Cent berappen muss. Also rund der doppelte Preis. Das Strom-Tanken kann also ein teurer Spaß werden. Der XC40 verbrauchte auf unseren nicht dynamisch gehaltenen Testfahrten (max. Tempo 130) etwa 26 Kilowatt je 100 Kilometer. Man sollte berücksichtigen: Bei hohen Tempi steigt der Stromverbrauch überproportional. Die Anzeige im XC40 gibt deshalb für die Reichweite eine Range an. Bei vollem Akku werden für den besten Fall 330 Kilometer angezeigt, für den schlechtesten Fall etwa 180 Kilometer. Um ehrlich zu bleiben. Beim Benziner steigt der Verbrauch auch auf ähnliche Höhen, wenn man ihn fordert. Der XC40 mag in dieser Hinsicht aber schon Tempo 130 nicht, das dokumentiert das Display, indem es diese Geschwindigkeit in rot anzeigt. So kommt es, dass man am Ende einer Fahrt, die mit 100 Prozent Ladestand begonnen hat, froh sein muss, obwohl man auf der Autobahn nie über 130 Stundenkilometer gefahren ist und stets mit zurückhaltendem Gasfuß und mit dem Reichweitenoptimierungsmodus agiert hat, eine Strecke von 210 Kilometern zu schaffen. Denn man kann das Akku ja nicht komplett leer fahren, wir hatten am Ende eine minimale Restreichweite von etwa 20 Kilometern. Da bleibt man nicht gelassen. Das Ergebnis ist schließlich nicht zufriedenstellend.
Der Strompreis ist heiß
Die Reichweitenangaben der Hersteller nach WLTP sind allgemein mit Vorsicht zu genießen, denn sie beziehen sich auf eine 100 Prozent-Ladung. Über 80 Prozent verlangsamt sich die Ladegeschwindigkeit jedoch signifikant. Bei unseren Test-Ladungen ist die pro Stunde tankbare Reichweite von etwa 280 auf Bereiche um 120 Kilometer gesunken, wenn die 80 Prozent überschritten waren. Um also von 80 auf 100 Prozent zu kommen, braucht es überproportional viel Zeit. Die hat man selten, wenn man unterwegs ist. Also lädt man nur bis 80 Prozent. Das ist beim XC40 und optimaler Ladeleistung (was selten der Fall ist) in etwa 32 Minuten möglich. Aber auch 32 Minuten sind länger, als eine Kaffeepause. Und wenn man ans Ziel möchte, nerven die Wartezeiten doch ziemlich. Wer Zuhause über Nacht an einer Wallbox laden kann, hat diesen Zeitdruck nicht und kann 100 Prozent laden. Volvo empfiehlt jedoch, die Batterie nicht über 90 Prozent zu laden, um sie zu schonen. Eine wesentliche Variable beim Laden ist die tatsächlich abgegebene Ladeleistung der Ladesäulen. Man erlebt es leider ständig, dass die in den Ladesäulen-Such-Apps benannten Ladeleistungen nicht annähernd erreicht werden. So standen wir vor einer Säule die mit stolzen 320 kW ausgeschrieben ist. Tatsächlich „flossen“ grade mal 90 kW in unseren XC40. Damit steht die Ladedauer-Erwartung natürlich auf dem Kopf. Wer ein E- Auto fährt und auf das Laden unterwegs angewiesen ist, der braucht Geduld und Zeit. Manchmal viel Zeit. Hoffen muss man dann auch noch, dass es nicht regnet, denn die meisten Ladesäulen haben kein Dach über dem Kopf. Da fragt man sich, ob E-Auto-Fahrer unempfindlicher gegen Nässe von oben sind, als Nutzer von Verbrennern. Daher unser Tipp an künftige E-Auto-Fahrer:
immer nen Schirm im Auto haben. Dazu noch Handschuhe, denn die Ladepistolen sind oft klebrig.
Relaistisch nutzbare Reichweite bei etwa 210 Kilometern
Nun ist es an Ihnen, diese Reichweitenwerte des XC40 Single einzuordnen. Wohl gemerkt, das ist nicht allein das Thema beim XC40 Recharge. Damit haben alle E-Mobile zu kämpfen. Der XC40 sieht mit seiner vergleichsweise hohen Ladeleistung von 150 kWh sogar gut aus. Zum Vergleich: Der neue Audi Q4 bietet hier ab dem Modelljahr bis zu 135 kWh (davor 125 kW) an, was im Vergleich mit vielen anderen noch immer ein richtig guter Wert ist. Zwischen 50 und 75 kW dürfte die Regel sein. Allein die Top-Modelle bieten Ladeleistungen jenseits der 150 kWh. Aber dann sind meist Kaufpreise im Bereich und jenseits von 100.000 Euro fällig.
Das kompakte SUV XC40 Recharge Single wird ausschließlich an den Vorderrädern angetrieben. Mit seiner Leistung von 170 kW bzw. 231 PS kostet es in seiner Basis 45.080 Euro. Unser gut umfangreich ausgestatteter Testwagen kam auf etwa 55.000 Euro. Wenn man davon die Förderprämie in Höhe von 9.000 Euro abzieht, bleiben noch runde 36.000 Euro und damit in etwa der gleiche Basis-Preis, den man für den Verbrenner XC40 bezahlen soll.
Schwedisch kühler Innenraum
Außen unterscheidet sich der XC40 Recharge quasi nur am geschlossenen Kühlergrill von seinen Verbrenner Kollegen. Er ist und bleibt auch als reines E-Auto ein schönes Kompakt-SUV. Die Innenausstattung des kompakten Volvo SUVs ist klar gezeichnet und mutet mit seinem schwarzen Leder und den Metall-Applikationen schwedisch kühl an. Da haben die chinesischen Eigentümer der Marke Volvo zum Glück und klugerweise alles beim Alten belassen. An Premium-Feeling reicht es aber weder beim Verarbeitungseindruck noch bei den verwendeten Materialien wirklich heran. Das Google-Maps-Navi mit den verwendeten Online-Daten arbeitet – wie im Smartphone – präzise und schnell. Und das Spracheingabe-System funktioniert mit Hilfe von Google in meinen Augen nahezu perfekt. Kompliment an Google. Andere Hersteller verbauen teilweise Spracheingabesysteme, die den Namen nicht verdienen.
Der kann sogar was wegziehen
Das 4,42 Meter lange SUV wiegt übrigens runde 2,2 Tonnen, und kann, im Unterschied zu manchem Wettbewerber mit E-Antrieb, sogar Anhänger mit bis zu 1.500 Kilo Gewicht ziehen.
Fazit
Die Reichweitenangaben von Volvo (WLTP: 417 Kilometer) können wir nach unserem Praxistest nicht annähernd bestätigen. Wer längere Strecken fahren muss oder möchte, der wird in aller Regel Autobahnen nutzen. Auf diesen fährt man nun mal selten Tempo 90, sondern eher 130. Bei diesem Tempo ist jedoch nach 210 Kilometern Schluss mit lustig. Oder man schleicht auf der rechten Spur mit 110 bis 120 Stundenkilometern. Aber auch dann sind 417 Kilometer eine Illusion. Das nervt. Und das kann und darf nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Für die kurze Strecke und die Landstraßen im Bereich von etwa 100 Kilometern um den Wohnort und nächtlichem Laden zuhause, kann der XC40 Recharge eine gute Option sein.
Technische Daten:
Volvo XC40 Recharge Pure Electric Single Pro
Motor: Elektro
Leistung: 170 kW / 231 PS
max. Drehmoment: 330 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
Beschleunigung: 7,4 Sek 0-100 km/h
Verbrauch kombiniert (WLTP): 20 kW/100 km
Batteriekapazität (Brutto): 69,0 kWh
Gewicht: 2.060 kg (Leergewicht)
Gepäckraum: 414 l – 1290 l Liter Ladevolumen
Anhängelast gebremst: 1500 kg
Maße: 4425 mm lang; 1863 mm breit ohne Spiegel; 1652 mm hoch, 2702 mm Radstand
Prei: ab 55650 Euro